Was der US-Anleihemarkt über die zukünftigen Wirtschaftsaussichten in den USA verrät

Von Hans Heimburger

Der S&P 500 eilt von einem Rekord zum nächsten. Für Rückenwind sorgen nicht zuletzt die niedrigen Zinsen. Dabei sendet der Anleihenmarkt starke Warnsignale über den Zustand der US-Wirtschaft.

Die US Notenbank setzt den Erhöhungszyklus der Leitzinsen fort

Da es für viele Investoren ausgemachte Sache ist, dass die Fed bei der nächsten Sitzung am 13. Dezember die Leitzinsen erneut anheben dürfte, schauen Investoren auf mögliche Signale über mögliche weiteren Zinserhöhungen im Jahr 2018 unter dem designierten Notenbankchef Jerome Powell. Viele Experten sind der Überzeugung, dass er die bisherige Politik der scheidenden Fed-Chefin Janet Yellen konsequent fortsetzen wird, nachdem er bisher immer auf einer Linie mit Yellen lag. Für ihn ist die Sache klar: die Arbeitslosenquote ist mit 4,1 Prozent so niedrig wie letztmals im Dezember 2000, weshalb es bald deutliche Lohnsteigerungen geben werde. Um zu verhindern, dass das zu einem spürbaren Anstieg der Inflation führen werde, müsse die Fed mit weiteren deutlichen Erhöhungen der Leitzinsen entgegensteuern. Bislang hat Yellen drei Erhöhungen für 2018 vorhergesagt. Fed-Chefin Janet Yellen scheidet nach der Ernennung ihres Nachfolgers im Februar 2018 bei der amerikanischen Notenbank aus.

Perspektiven für die US-Wirtschaft trüben sich ein

Trotz Yellens regelmäßigen Beteuerungen, wie stark die US-Wirtschaft sei, ist der Anleihenmarkt völlig anderer Meinung. So sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen auf 2,35 Prozent gesunken, gegenüber 2,46 Prozent am 27. Oktober. Damit liegen die Zinsen unter dem Niveau von 2,5 Prozent von Mitte Dezember 2016, obwohl die Fed die Leitzinsen seit damals drei Mal angehoben hat und im Oktober 2017 mit dem Abbau der Bilanzsumme durch den Verkauf von Anleihen begonnen hat. Der Sinn dieser Übung: für zusätzlichen Auftrieb bei den Zinsen sorgen. In dem Umfeld müssten die Kurse zehnjähriger Anleihen deutlich sinken und im Gegenzug die Zinsen kräftig steigen. Genau das tun sie aber nicht. Vielmehr sind sie unter Druck und deuten damit die Eintrübung der Perspektiven für die US-Wirtschaft an, denn viele Investoren befürchten, dass es US-Präsident Donald Trump sehr schwer fallen dürfte, eine Steuerreform durch den Kongress zu bringen. Sollte Trump damit scheitern, während die Fed weiter die Zinsen erhöht, würde das die hochverschuldete Wirtschaft enorm belasten.

Zinsstrukturkurve wird immer flacher

Noch mehr als die Zinsen für zehnjährige Anleihen zeigt die Zinsstrukturkurve die starke Eintrübung der Perspektiven für die US-Wirtschaft an. So wird die Zinsstrukturkurve immer flacher. So ist der Zinsaufschlag für zehnjährige Anleihen gegenüber zweijährigen – ein von vielen institutionellen Investoren stark beachteter Indikator – auf 59 Basispunkte (0,59 Prozentpunkte) kollabiert. Das ist das niedrigste Niveau seit November 2007. Grund: während die Zinsen für zweijährige Anleihen wegen der Erhöhung der Leitzinsen durch die Fed kräftig stiegen, sinken jene für zehnjährige Anleihen. Der Anleihenmarkt schätzt damit die langfristigen Perspektiven der US-Wirtschaft also so schlecht ein, wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das passt gar nicht zu den rosigen Beschreibungen der US-Wirtschaft durch die Notenbanker und viele andere Experten. Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sind im Rückwärtsgang.

Wird die Kurve invers?

Viele Investoren schauen daher, wann die Zinsstrukturkurve invers werden könnte, sprich wann die Zinsen für zweijährige Anleihen plötzlich höher sein könnten als die für zehnjährige. Wieso machen Investoren das? Laut einer Studie der Bank of America war eine inverse Zinsstrukturkurve in den vergangenen 50 Jahren in sieben von sieben Fällen der Vorläufer für eine US-Rezession. Die Erklärung hierfür ist einfach: Weil die US-Wirtschaft hochverschuldet ist, bedeutet das praktisch, dass man sich das Geld kurzfristig leiht, um es langfristig zu investieren. Wenn die Banken mit diesem Geschäft aber kein Geld mehr verdienen, halten sie sich bei der Kreditvergabe zurück. Wenn sie plötzlich stockt, rutscht eine Wirtschaft, deren Wachstum in den vergangenen Jahrzehnten allein auf dem gigantischen Schuldenanstieg beruht hat, unweigerlich in die Rezession ab. Dass sich genau diese Entwicklung derzeit abspielt, spiegeln die Unternehmenskredite wider. So lagen sie im Oktober mit 2,12 Billionen Dollar um nur mehr 1,2 Prozent über dem Vorjahresniveau. Bei Trumps Amtsantritt im Januar 2017 hatte das Plus noch bei 6,8 Prozent gelegen, die Zeiten sind aber lange vorbei. Die letzten vier Mal, als die Zinsstrukturkurve mit 59 Basispunkten so flach war wie derzeit, war die US-Wirtschaft bereits in der Rezession. Etliche Experten gehen davon aus, dass die Kurve bereits im ersten Halbjahr 2018 invers werden könnte, immerhin liegt der Zinsaufschlag bei nur mehr 59 Basispunkten. Sollte die Fed die Leitzinsen im März 2018 um weitere 25 Basispunkte erhöhen, während die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter sinken, könnte es im Frühjahr zu einer inversen Zinsstrukturkurve kommen.

Kursschwankungen am Markt für US-Ramschanleihen

Eine Abkühlung der US-Wirtschaft würde die hochverschuldeten Unternehmen um schnellsten und am stärksten treffen. Daher waren die Zinsen für US-High Yield-Anleihen (Ramschanleihen) zuletzt bis auf 6,02 Prozent nach oben geschossen, nachdem sie am Oktobertief noch bei 5,43 Prozent gelegen waren. Sollte es den hoch verschuldeten Unternehmen schwerer fallen, Schulden zu machen, trüben sich die Perspektiven für die Wirtschaft und damit für den Aktienmarkt ein, weshalb etliche Investoren zuletzt ein wenig besorgt waren. Zuletzt sind die Zinsen aber auf 5,81 Prozent gesunken, was dem S&P 500 Rückenwind gegeben hat.

Wie könnte es weitergehen am Aktienmarkt?

Sollten Anleger wegen der drohenden Abkühlung der US-Konjunktur ihre Aktien verkaufen?
Nein, denn zwischen der Invertierung der Zinsstrukturkurve und dem Beginn des Kursrückgangs am Aktienmarkt dauert es üblicherweise eine ganze Weile. Während die Zinsstrukturkurve ab Februar 2000 invers war, notierte der S&P500 Anfang September 2000 in der Nähe des Rekordhochs, ehe er dann kräftig den Rückwärtsgang eingelegt hat. Beim nächsten Börsen-Crash lief es ähnlich: nachdem die Kurve ab Februar 2006 invers war, und im Juni 2007 in den positiven Bereich zurückgekehrt ist, um in den folgenden Monaten deutlich zu steigen, hat der S&P500 erst im Oktober 2007 sein damaliges Rekordhoch markiert, um dann anschließend umso schneller abzuschmieren.
Vielmehr könnten erst einmal die weiter sinkenden Zinsen für zehnjährige Anleihen und die weitere Abflachung der Zinsstrukturkurve Investoren weiter in den Aktienmarkt treiben, immerhin liegt die Dividendenrendite des S&P500 bei 1,93 Prozent. Das ist zwar im langfristigen Vergleich ein sehr niedriger Wert, bei Zinsen von 2,35 Prozent für zehnjährige Anleihen dürften Investoren aber weiter bei US-Aktien zugreifen, weshalb die Rekordfahrt erst einmal weitergehen könnte. Investoren am Aktienmarkt sollten allerdings die Entwicklung am Anleihenmarkt weiter ganz genau beobachten.