Mit dem „Weltbild“ von Gies & Heimburger liefern wir Ihnen seit Januar 2013 zu jedem Quartalsbeginn ein komprimiertes Update über unser „Bild von dieser Welt“ und die Schlussfolgerungen, die wir daraus ziehen.
Amerika: die Inflation bleibt zunächst hartnäckig – das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab
Die Wirtschaft in Amerika ist verhalten in das neue Jahr gestartet. Wieviel von der aktuellen Bremswirkung auf die rasante Ausbreitung der Virusvariante Omikron zurückzuführen ist oder andere Gründe hat, ist schwer zu beurteilen. Der Arbeitskräftemangel ist ein tiefgreifenderes Thema, das mit hoher Wahrscheinlichkeit länger anhalten wird. Die Lieferkettenprobleme und die hohen Energiepreise werden sich im Jahresverlauf relativieren, der Lohnkostenanstieg wird jedoch dazu führen, dass die Kerninflation deutlich über dem 2-Prozentziel der Fed liegen wird. Eine Kombination aus strafferer monetärer und fiskalischer Politik, wird das US-Wirtschaftswachstum in diesem Jahr beeinträchtigen.
Die amerikanische Notenbank Fed hat vor wenigen Tagen den geldpolitischen Richtungswechsel bekräftigt. Bis März werden die Anleihekäufe beendet. Danach ist im weiteren Jahresverlauf mit bis zu vier Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte zu rechnen. Darüber hinaus beabsichtigt die Fed ihre auf rund 9 Billionen Dollar angewachsene Bilanz zu verkürzen. Dies wird, nach intensiven Beratungen, vermutlich ab dem Sommer in Angriff genommen. Ausgehend von der aktuellen Rendite für 10-jährige Staatsanleihen von 1,80% erwarten wir bis zum Jahresende einen moderaten Anstieg auf ein Niveau von 2 bis 2,25%.
Dies sollte für den Aktienmarkt verkraftbar sein, zumal die Wachstumswerte (Growth-Sektor), seit sich der Richtungswechsel der Fed abzeichnete, bereits äußerst kräftige Kursverluste hinnehmen mussten. Die oben beschriebenen makroökonomischen Unsicherheitsfaktoren erschweren den Unternehmenslenkern die Ausblicke für Umsatz und Gewinn ihrer Gesellschaften. Dies dürfte dazu beitragen, dass das schwierige und volatile Börsenumfeld noch weiter andauern wird.
Eurozone: das Wachstum bleibt robust
Die wirtschaftliche Erholung geriet Ende 2021 / Anfang 2022 auf Grund der starken Ausbreitung der Omikron Virusvariante ins Stocken. Diese Entwicklung sollte allerdings mit einem Abklingen der Omikronwelle nicht lange andauern und bereits im weiteren Verlauf des ersten Quartals werden die Wachstumskräfte wieder die Oberhand gewinnen.
Die Ausgaben der privaten Haushalte werden sich voraussichtlich schnell erholen. Allerdings werden die höheren Energiepreise das verfügbare Einkommen verringern, insbesondere bei Haushalten mit geringem Einkommen. Aber das Verbrauchervertrauen ist nicht so stark gesunken wie bei früheren COVID-Wellen oder früheren Rezessionen.
Unternehmensumfragen deuten darauf hin, dass die Bruttoanlageinvestitionen in nächster Zeit rasch ansteigen werden. Zwar sind die Investitionen im Vergleich zu ihrem Trend vor der Pandemie etwas zurückgegangen, doch dürften sie in den nächsten ein bis zwei Jahren wieder auf dieses Niveau zurückkehren.
Die Europäische Zentralbank wird im Jahresverlauf die Wertpapierankaufprogramme beenden und somit das Feld für erste Zinserhöhungen, aber erst im kommenden Jahr, bestellen. Die Renditen der 10-jährigen Bundesanleihen scheinen die geldpolitische Wende bereits vorwegzunehmen. Erstmals seit dem Frühjahr 2019 liegt die Rendite wieder im positiven Bereich. Die jüngsten Inflationszahlen für Deutschland und den Euroraum zeigen, dass die Teuerung zum Jahresbeginn nicht so stark zurückgegangen ist, wie viele erwartet hatten. Im EZB-Rat werden die Befürworter einer lockeren Geldpolitik mit den Vertretern einer strafferen Geldpolitik um eine angemessene Reaktion ringen.
Die europäischen Aktienmärkte mit ihrer etwas stärkeren „Value-Ausrichtung“, könnten in 2022 besser als amerikanische Aktien performen.
Japan: die Bank of Japan sieht weiterhin keinen Inflationsdruck
Japans Omikron-Welle wird in diesem Quartal einen erneuten Rückgang der Verbraucherausgaben verursachen. Wir gehen jedoch davon aus, dass das BIP in der zweiten Jahreshälfte wieder auf den Pfad zurückkehren wird, der vor dem Virus bestand. Und obwohl Omikron die Versorgungsengpässe verschärfen könnte, wird die Inflation deutlich unter 2 % bleiben, so dass die Bank of Japan ihre Politik sehr locker halten kann.
Die ersten Anzeichen aus anderen Ländern deuten darauf hin, dass Omikron seinen Höhepunkt relativ schnell erreichen wird und ebenso schnell wieder abklingen wird. Die zusätzlichen Ausgaben, die im Konjunkturpaket für das im März endende Haushaltsjahr enthalten sind, waren nur halb so hoch wie die Ausgaben in den drei Nachtragshaushalten im GJ 2020. Wir gehen jedoch davon aus, dass ein größerer Teil der veranschlagten Mittel erst in diesem Jahr tatsächlich ausgegeben wird.
Die Reformpläne von Premier Kishida für einen „neuen Kapitalismus“, um den Wohlstand zugunsten der Mittelschicht umzuverteilen, muss sich erst noch beweisen. Die Pläne sehen vor, Unternehmen durch Steuervergünstigungen Anreize zu geben, ihre Gewinne stärker mit den Arbeitnehmern zu teilen. Außerdem will er die CEOs dazu bringen, mit neuen Forschungs- und Entwicklungsausgaben die Wirtschaft anzukurbeln. Dies weckt die Erwartung eines stärkeren Wirtschaftswachstums in 2022, das wir mit 3,3% veranschlagen.
Der weiterhin hohe monetäre Rückenwind dürfte sich für den japanischen Aktienmarkt positiv auswirken.
Emerging Markets: China – der zyklische Tiefpunkt ist erreicht – danach jedoch nur ein verhaltener Aufschwung
China wird in der ersten Jahreshälfte 2022 von Omikron-Ausbrüchen und einer weiteren Verlangsamung des Immobiliensektors belastet werden. Geldpolitische Unterstützungs-maßnahmen sollten das Bild im weiteren Verlauf des Jahres verbessern aber strukturelle Gegenwinde werden das Ausmaß einer Erholung begrenzen.
Der zyklische Tiefpunkt der Wirtschaftsentwicklung dürfte aktuell erreicht sein. Es gibt wenig Spielraum für einen Aufschwung im Baugewerbe. Selbst wenn die Hausverkäufe jetzt wieder anziehen, könnte es fast ein Jahr dauern, bis der Tiefpunkt bei den Baubeginnen erreicht ist und die Bauträger werden angesichts ihrer jüngsten finanziellen Schwierigkeiten besonders vorsichtig sein. Ein Anstieg der Infrastrukturausgaben könnte allerdings einen teilweisen Ausgleich schaffen.
An unserer Einschätzung, dass die starken Kursrückgänge bei den chinesischen Wachstumswerten in unseren Augen exzellente Kaufgelegenheiten bieten, halten wir fest. Die People‘s Bank of China wird die einzige der bedeutenden Notenbanken sein, die in 2022 Zinssenkungen vornehmen wird. Dies ist angesichts der relativ schwachen Wachstumskräfte und den nach wie vor großen Problemen im Immobiliensektor auch zwingend notwendig. Die Kurse der chinesischen Technologie- und Wachstumsaktien sollten nach unserer Einschätzung im Dezember ihre Talsohle erreicht haben.
Der Aufschwung in Brasilien wird weiter hinter dem anderer Schwellenländer zurückbleiben. Die Brasilianische Notenbank wird sich vorerst auf die Bekämpfung der hohen Inflation konzentrieren und die Zinsen werden in diesem Jahr vermutlich weiter angehoben werden. Zehn Monate vor den Präsidentschafts- und Abgeordnetenhauswahlen zeigt sich Brasilien zwischen dem aktuellen rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro und dem erneut kandidierenden ehemaligen linksgerichteten Präsidenten Lula da Silva polarisiert.
Russland rückte leider unter geopolitischen Aspekten in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Der Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze und die Drohkulisse, die Präsident Putin damit gegenüber dem Nachbarstaat und dem Westen aufbaute, führten zu kräftigen Kursverlusten (knapp 30% vom Hoch Ende Oktober bis zum vorläufigen Tief im Januar) am russischen Aktienmarkt. Sobald sich eine diplomatische Lösung anbahnt könnten sich der russische Aktienmarkt und der Rubel spürbar erholen.
Indien war im Jahr 2021 eine der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften der Welt. Aber das schiere Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden durch die ersten beiden Viruswellen bedeutet, dass immer noch eine große Produktionslücke bestehen bleibt. Die Wirtschaft hat somit noch erheblichen Spielraum für ein kräftiges Wachstum in 2022 (Prognose 10% BIP-Wachstum).
Politische Entscheidungsträger, Unternehmen und Haushalte haben sich während der Pandemie angepasst. Die riesige zweite Viruswelle hatte geringere wirtschaftliche Auswirkungen als die erste. Die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen durch weitere Ausbrüche werden wahrscheinlich noch geringer ausfallen.
Die notleidenden Kredite, die schon vor der Krise besorgniserregend hoch waren, werden im Jahr 2022 wahrscheinlich weiter ansteigen. Dies könnte die Fähigkeit der indischen Banken beeinträchtigen, die Investitionen zu finanzieren, die Indien benötigt, um sein hohes Wachstumspotenzial langfristig auszuschöpfen.
Rohstoffe / Rohstoffaktien:
Der Preisanstieg der Energierohstoffe bleibt der Hauptinflationstreiber
Die Preise der Energierohstoffe (Öl, Kohle und Gas) blieben bisher auf hohen Niveaus. Allerdings erwarten wir hier im Jahresverlauf spürbare Rückgänge, so dass von dieser Seite eine Entspannung hinsichtlich der Inflation erfolgen sollte.
Investitionen in die Erschließung neuer Lagerstätten fossiler Brennstoffe bzw. in die erforderliche Fördertechnik werden zu gering ausfallen, weil derartige Investitionen als „klimaschädlich“ deklariert und deshalb kaum noch finanzierbar sein werden. Dieser Umstand wird einen länger anhaltenden Druck auf die Energiepreise ausüben.
Die Industriemetalle setzen, unter teils erheblichen Schwankungen, ihren Aufwärtstrend fort. Hier erwarten wir im Jahresverlauf eine Preisberuhigung.
Edelmetalle – weiterhin im Seitwärtsmodus
Die Edelmetallpreise entwickelten sich in den vergangenen Monaten in einer volatilen Seitwärtsbewegung. Die hartnäckig hohe Inflation sollte die Preise von Gold und Silber Im Jahresverlauf 2022 unterstützen. Gerade Gold- und Silberminen sind fundamental sehr günstig bewertet.