Weltbild – Update per Juli 2020

Von Hans Heimburger

Mit dem „Weltbild“ von Gies & Heimburger liefern wir Ihnen seit Januar 2013 zu jedem Quartalsbeginn ein komprimiertes Update über unser „Bild von dieser Welt“ und die Schlussfolgerungen, die wir daraus ziehen.

Amerika: die Wirtschaft im Erholungsmodus – die Covid-19 Situation bereitet Sorgen

Wie in nahezu allen Industrieländern markierte auch in Amerika der April die Talsohle des wirtschaftlichen Abschwungs. Die Kombination aus maximaler monetärer Unterstützung seitens der amerikanischen Notenbank Fed (vom 06.03. bis 17.07. erhöhte sie die Bilanzsumme per Saldo um 2.800 Milliarden Dollar!), den enormen Fiskalmaßnahmen der Regierung (runde 9% des Bruttosozialproduktes von 2019) und den schrittweisen Lockerungsmaßnahmen der Beschränkungen, erholte sich die Wirtschaft überraschend schnell und kräftig. Die Aktienkurse, die einmal mehr ihrem Ruf als zuverlässigstes Konjunkturbarometer gerecht wurden, erholten sich in einer V-förmigen Bewegung. Der S&P 500 notiert aktuell nur 180 Punkte unter seinem historischen Februar-Hoch von rund 3.400 Zählern.

Der Blick auf die rekordhohen Neuinfektionen, vor allem im Süden und Westen der USA, nährt  die Sorgen, dass die wirtschaftliche Erholung im Falle erneuter strengerer Quarantänemaßnahmen, ins Stocken geraten könnte. Bisher gehen die hohen Fallzahlen nicht mit einer spürbar steigenden Todesrate einher. Ein Indiz dafür, dass sich das Wissen um das Virus und die Kenntnis effizienterer Behandlungsmethoden deutlich verbesserten. Erste Bremsspuren im Verlauf des Julis beim Verkehrsaufkommen und der Kundenpräsenz in den großen Einkaufszentren erfordern einen wachsamen Blick auf das Geschehen, ohne jedoch gleich in Panik zu verfallen. Die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfes steht nun bevor und kann jederzeit das Sentiment an den Märkten beeinflussen. Auffallend ist die jüngste Schwäche des Dollars, die sich nach unserer Einschätzung trendfolgend fortsetzen wird. Im großen Bild gehen wir von weiter steigenden Aktienkursen und lange tief bleibenden Zinsen aus. Die genannten Risiken können kurzfristig durchaus heftigere Korrekturen an den Märkten auslösen.

Eurozone: ein V-förmiger Aufschwung – die Eindämmung von Covid-19 gelingt bisher gut

Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus der Eurozone signalisieren eine anhaltend kräftige Erholung der Konjunktur nach dem erzwungenen, teilweisen „Stillstand der Räder“ auf dem Höhepunkt der Pandemie im April. Die Begleitumstände ähneln sich in den Industriestaaten im Vergleich. Eine enorme monetäre Unterstützung seitens der Europäischen Zentralbank, die vom 06.03. bis zum 10.07. ihre Bilanzsumme um 1.617 Milliarden Euro ausweitete und hohe staatliche Ausgabenprogramme in Höhe von etwa 8% des Bruttosozialproduktes von 2019. Auf Länderebene übernimmt Frankreich aktuell die führende Position. Industrie- und Servicesektor wachsen so kräftig wie zuletzt vor zweieinhalb Jahren. Aber auch Deutschlands Wirtschaft wächst erstmals seit Februar wieder, und zwar so stark wie zuletzt vor knapp zwei Jahren. Natürlich bleibt die Sorge, dass die höhere Arbeitslosigkeit, die in Mitleidenschaft gezogenen Bilanzen der Unternehmen und die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Social Distancing-Maßnahmen den Aufschwung bremsen könnten.
Die Einigung der Staats- und Regierungschefs bezüglich Corona-Hilfen sowie auf den mehrjährigen Finanzrahmen des EU-Haushalts auf dem jüngsten EU-Gipfel war eine sehr schwere Geburt. Die Zustimmung der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments steht noch aus. Dies wird zu Nachverhandlungen führen, den Kern der finanziellen Unterstützung jedoch kaum aushebeln.

Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten gelang es den Ländern der Eurozone die Zahl der C-19 Neuinfektionen in den Griff zu bekommen. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, dann könnte dies einen strategischen Pluspunkt darstellen und global ausgerichtete Investoren stärker Richtung Europa orientieren.

Japan: die wirtschaftliche Erholung hinkt anderen Industriestaaten hinterher

Zum zweiten Mal beginnt in Japans Hauptstadt Tokio der Countdown: In einem Jahr sollen die „verschobenen“ Olympischen Spiele beginnen. Können sie dann stattfinden? Noch gibt es mehr Fragen als Antworten.

Einige Fragen wirft auch das im internationalen Vergleich langsamere Erholungstempo der japanischen Wirtschaft auf. Die Zahlen der jüngsten Einkaufmanagerumfragen liegen sowohl für das produzierende Gewerbe als auch für den Dienstleistungssektor noch deutlich unter Schwelle von 50 Indexpunkten, die den Grenzverlauf zwischen Schrumpfung und Wachstum der Wirtschaft darstellt.
In der Bekämpfung der C-19 Pandemie verfolgt Japan einen ähnlichen Weg wie die Staaten der Eurozone. Lokale Anstiege von Neuinfektionen werden mit gezielten Eindämmungsmaßnahmen beantwortet. Erneute großflächige Lock-Downs sollen unter allen Umständen vermieden werden.

Emerging Markets: China meistert die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 zunächst mit hohen Infrastruktur-ausgaben

China, dem Ausgangspunkt der Seuche, gelang es mit sehr drastischen Quarantänemaßnahmen die C-19 Pandemie zügig unter Kontrolle zu bringen. Als erste große Volkswirtschaft wurde im Lande ein Shut Down verordnet und nach erfolgreicher Eindämmung des Virus, schrittweise Lockerungsmaßnahmen umgesetzt. Abweichend von den großen westlichen Volkswirtschaften steuerte Chinas Regierung, im Schulterschluss mit der Notenbank, die konjunkturelle Ankurbelung des Landes über sehr umfangreiche und gezielten Infrastrukturinvestitionen. Bis 2025 sollen chinesische Tech-Firmen mit umgerechnet 1,3 Billionen Euro unterstützt werden. Es ist die Rede davon, die Ausgaben für „neue Infrastruktur“ massiv zu erhöhen:  ein 5G-Netz, Ladeeinrichtungen für Elektroautos, Rechenzentren, Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren und – für China besonders wichtig – Videoüberwachung. Die aktuellen, positiven Wirtschaftszahlen belegen, dass diese kurzfristigen Impulse durchaus wirken.

Die Aufrechterhaltung des Wachstums über einen langen Zeitraum wird jedoch eine größere Herausforderung darstellen. Hierzu wird China noch viel stärker das Potential des eigenen Binnenmarktes hervorheben und die Inlandsnachfrage stärken. Dies scheint auch unter dem Eindruck der wachsenden (Handels-) Spannungen mit dem Westen, absolut notwendig zu sein.
Die großen Schwellenländer Brasilien, Indien und Russland sind genau in dieser Reihenfolge die Staaten, die nach den USA die höchsten C-19 Infektionszahlen aufweisen, weshalb wir dort aktuell keine Aktieninvestitionen vornehmen. Wir entschieden uns in Brasilien und Indien Investitionen in den Bondbereich zu tätigen, um nebst den noch attraktiven Zinsen, interessante Chancen auf Währungskursgewinne zu generieren.

Rohstoffe / Rohstoffaktien:  eine steigende Nachfrage trifft auf knappe Resourcen

Wir erläuterten seit April in mehreren Beiträgen auf unserer Homepage, warum wir die Gewichtungen der Goldminenaktien (mit Beimischung von Silberminen) in den Depots deutlich erhöhten. Im Kern sahen wir ausgewählte Aktien des Edelmetall- und Lithiumsektors für sehr günstig bewertet an. Die tieferen Preise von Gold, Silber und Lithium in der Vergangenheit führten zu geringen Explorationstätigkeiten und einer geringen Anzahl neu entwickelter Projekte weltweit. Die nun aus verschiedenen Gründen steigende Nachfrage nach den genannten Rohstoffen trifft auf ein relativ geringes Angebot. Dies lässt die Preise der Rohstoffe und die Kurse der betreffenden Produzenten steigen. Wir erwarten eine Fortsetzung dieses Trends.